Sozialstudien in Plüsch : Möppi Baumann und seine Freunde
Psychoanalytiker sehen in Kuscheltieren „Übergangsobjekte“, durch die sich Kinder von ihren Eltern abnabeln. Man könnte aber auch sagen: Kuscheltiere sind unsere ersten Freunde fürs Leben. Wie menschlich die Stoffkreaturen sein können, welche Assoziationen sie in uns auslösen, was sie über sich und ihre Besitzer verraten , davon erzählt meine Fotoserie: Möppi Baumann und seine Freunde. Die zu Spekulationen anregende Aura macht die Faszination des Projektes aus, jedes Tier hat sein eigenes Geheimnis.
Seit dem Startschuss im Jahr 2007 im Rahmen eines Fotoprojektes steigt die Zahl der pelzigen Protagonisten kontinuierlich. Mittlerweile haben sie auch sprechen gelernt und halten uns verblüffend treffsicher den Spiegel vor.
Wer die Plüschporträts betrachtet, wähnt sich in einem groß angelegten Gesellschaftsroman: Da ist der Dackel Willi Erdmann, der liebenswerte Loser, der immer auf die Schnauze bekommt und sich dennoch wacker durchs Leben kämpft – seine Streunerehre scheint ihm gar keine andere Wahl zu lassen. Da ist der von Vorsicht und Argwohn ganz durchwirkte Joggi Quapp mit seinem bangen Schafsblick, dem die Welt ein fest verschnürtes Rätsel ist. Da ist das zerzauste Hasenseelchen Hilde Hoppe, das man gleich in den Arm nehmen und vor aller Unbill schützen möchte, so neurotisch-verschüchtert schaut es den Betrachter an. Da ist der geschniegelte Wellensittich Willy Pieper, die reservierte Hundedame Zilla Heppenkamp, die altkluge Affendame Billa Muckes.
Dass die sprechenden Namen von Möppi Baumanns unaufhörlich wachsender Freundesschar klingen wie aus einem Buch von Erich Kästner oder einem Sketch von Loriot, ist kein Zufall. Viele Objekte sind 40 oder 50 Jahre alt. Sie stammen aus einer Zeit, als die Erziehung ernster war, moralgetränkter, auch fragwürdiger. Dieser Umstand spiegelt sich in der Mimik der Plüschtiere wider, die darum im doppelten Sinn komisch sind – also nicht nur oberflächlich witzig, sondern auch grotesk, abgründig, manchmal sogar ein bisschen böse. So schwingt in Möppis Clique immer etwas Knorriges, Nostalgisches, genuin Deutsches mit. Schließlich wurden viele ihrer Mitglieder vor der Globalisierung geboren und damit vor dem Siegeszug des immer gleichen Kindchenschemas, vor dem heute kein Kinderzimmer sicher ist.#
Möppi war übrigens der Name des Nachbarhundes meines Vaters in Norddeutschland. Er war der freche Terrier der Familie Baumann, der neben meinen Großeltern wohnte. Ich habe ihn nie kennengelernt, es wurden aber immer nette Geschichten und Anekdoten über ihn erzählt und so war sein Name in unserer Familie: Möppi Baumann.
Dank ihres Charismas lassen die Foto-Porträts von Möppi Baumann und seinen Freunden unsere Assoziationen auf Anhieb Haken schlagen. Aber inzwischen sprechen sie auch in Worten zu uns: Unter anderem auf Kalendern und Postkarten räsonieren sie über sich, ihre Welt und deren Tücken. Wenn etwa Katzendame Henni Sandrock mit einem gleichermaßen verdutzten wie sturen Blick erklärt, dass ihr Verhalten zwar taktisch unklug, aber emotional notwendig sei. Man meint dann ahnen zu können, warum ihre Stirn so abgeschubbert ist. Vielleicht will sie zu oft mit dem Kopf durch die Wand? „Ich wäre ja viel mutiger, wenn es nicht so gefährlich wäre“, bekennt dagegen Promenadenmischung Balduin Lohse mit schüchtern gefalteten Pfoten auf einem anderen Karten-Motiv. Man möchte dem strubbeligen Schlappohr gleich zeigen, wie man das Leben lustvoll bei den Hörnern packt. Ganz anders dagegen Jörnfried Nölle. Der Bärenfilou steckt in einem hoffnungsgrünen Pullover, schaut den Betrachter fidel aus vollem Pelz an und sagt: „Ich bin ja ein absolutes Wunschkind. Und ich finde, das sieht man auch.“ Was das Konzept der Sprüchebilder hergibt, demonstriert besonders schön der pampige Hasenmann Karl-Heinz Schröter, wenn er einem desillusioniert dreinäugenden Schafsmädchen in blütenweißer Wolle mitteilt: „Ich will ja nicht sagen, dass du langweilig bist. Aber wenn du ein Gewürz wärst, dann wärst du Mehl.“
Und dann gibt es ja auch noch den Anführer Möppi Baumann. Ein aufgeweckter Terrier, der seine Bande mit fröhlichem Pragmatismus zusammenhält. Wer ihn sieht, spürt gleich: Einen wie Möppi hätte jeder gern zum Freund.
Elke Moorkamp